2.So.n.Weihn. Lukas 2, 41-51: 12-jähriger Jesus im Tempel. (3.1.2021)

Sun, 03 Jan 2021 12:10:13 +0000 von Bettina Kopplin

Jedes Jahr zogen die Eltern von Jesus zum Passafest nach Jerusalem.
Als Jesus zwölf Jahre alt wurde, gingen sie auch mit ihm dorthin.Als das Fest vorüber war, machten sie sich wieder auf den Heimweg. Doch Jesus blieb unbemerkt in Jerusalem zurück. Am Abend suchten die Eltern ihn bei den Verwandten und Bekannten.Doch sie konnten ihn nicht finden. Da kehrten sie nach Jerusalem zurück und suchten ihn überall.
46Dann endlich, am dritten Tag entdeckten sie ihn im Tempel. Er saß mitten unter den Lehrern.
Seine Eltern waren fassungslos, als sie ihn hier fanden. Seine Mutter fragte ihn: »Kind, warum hast du uns das angetan? Sieh doch: Dein Vater und ich haben dich verzweifelt gesucht!«Er antwortete ihnen: »Wieso habt ihr mich gesucht? Habt ihr denn nicht gewusst, dass ich bei meinem Vater sein muss?«Aber sie begriffen nicht, was er da zu ihnen sagte.
Dann kehrte Jesus mit seinen Eltern nach Nazareth zurück und war ihnen gehorsam. Maria prägte sich diese Worte gut ein.
 
Vater oder Mutter zu sein, ist eine hochkomplexe Angelegenheit. Da gibt es viel Schönes, aber auch viel Beunruhigendes, bis hin zur Angst. Zum Beispiel, wenn das Kind verschwindet. Plötzlich ist es weg. Und da steht man dann auf einmal in einem Supermarkt oder einer Fußgängerzone, und schaut sich um - in Panik. Wo ist das Kind geblieben?
 Die Eltern von Jesus suchten ihn lange und kehrten dann dorthin zurück, wo sie ihn zuletzt gesehen hatten: nach Jerusalem. Die Sorge um ihn muss groß gewesen sein.


Sie kehrten in den Tempel zurück, wo sie noch vor Kurzem das Passahfest gefeiert hatten: Passah feiert den Auszug aus der Sklaverei. Ein Befreiungsfest. Und nun dieser Kummer um Jesus! 


Doch sie trauten ihren Augen nicht, als ihr Sohn persönlich in der Mitte einer Gelehrtengruppe sitzt!! Wo hatten sie nicht überall gesucht! Und nun sitzt er da und glänzt mit klugen Antworten. 
 Die Eltern werden in diesem Moment nicht stolz darauf gewesen sein, dass ihr Sohn im Kreis Gebildeten saß.
 Zorn und Kränkung sprechen aus den Worten von Maria, die ihren wiedergefundenen Ausreißer so anspricht: “Mein Sohn, warum hast du uns das angetan?”
 Warum tun Kinder einem das an? Sie entfernen sich, ohne Bescheid zu sagen, sie tun, wovor man sie warnte. Bisweilen leben sie in eigenen Welt. Und auf Fragen geben sie herausfordernde Antworten. So auch Jesus: “Warum habt ihr mich gesucht? Wisst ihr nicht, dass ich bei meinem Vater sein muss?”


Als ob das so selbstverständlich wäre! Hätten Maria und Joseph wirklich wissen müssen, wo sie ihren Sohn finden können? Mit diesem Satz werden Maria und Josef vor den Kopf gestoßen. Denn war nicht Josef der Vater Jesu? Gibt es zwei Väter?!? Maria hakt nochmal nach und sagt: “Dein Vater und ich haben dich mit Schmerzen gesucht!” „Ich muss im Haus meines Vaters sein:“ sagt Jesus. Das sind seine ersten Worte in seinem öffentlichen Auftreten. So wie seine letzten Worte am Kreuz sein werden: In deine Hände, Vater, befehle ich meinen Geist.“ Es geht um die Beziehung zum Vater. Welcher Vater ist es? Eine spannende Frage. Kann es neben oder anstelle des einen Vaters noch einen anderen Vater geben? In manchen Gesprächen wünschte ich meinem Gegenüber die Erfahrung eines anderen Vaters, nämlich Gott im Himmel. Denn die Erfahrungen mit dem eigenen Vater waren vielleicht verstörend, voller Angst und Häme oder fehlten ganz, weil es schlicht keinen anwesenden Vater gab. Wieviele Kinder wachsen mit dieser Erfahrung auf?! Da ist einfach keine väterliche Bezugsperson! Wobei ich mich dann auch frage, wie kann man sich vertrauensvoll an Gott als Vater wenden? Gelingt das besser oder schlechter? Welches Bild füllt sich dann? Und wenn man es noch weiter ausbuchstabieren will, steht die Frage im Raum: Gott ist neben Vater natürlich auch Mutter. Und hier entstehen dieselben Fragen. Welches Mutterbild habe ich? Wie sehe ich einen mütterlichen Gott? Die Jahreslosung lädt uns ein, weiterhin, über diese Frage nachzudenken. „Seid barmherzig, wie auch euer Vater im Himmel barmherzig ist.“ Eine spannende Aufforderung für dieses Jahr, wo es um die Frage der Impfreihenfolge geht oder um wirtschaftliche Not in vielen Bereichen. Seid barmherzig wie ein Vater bzw. eine Mutter! Ob uns das gelingt?


Jesus hat mit seinen 12 Jahren („Konfirmationsalter“) einen neuen Standpunkt gesetzt: ich habe einen Vater im Himmel. Was hilft uns das? Jesus bildet damit einen neuen Familienkreis. Es gibt noch eine viel größere Verwandtschaft, als die jetzt vor Augen stehende. Wir sind alle Kinder Gottes, sind untereinander Geschwister und haben einen väterlichen/mütterlichen Gott im Himmel. Das ist nicht mein tägliches Denken. Aber in diesen Coronazeiten war dies für mich oft ein tröstlicher Gedanke. Wir rücken als eine neue Familie zusammen. Wir sind im Gebet wie Geschwister miteinander verbunden auch ohne persönliche Anwesenheit. Ich wünsche mir, dass wir das spüren. Ich weiß, dass manch ein Mensch heute gerne hier wäre, es aber aus Sorge nicht ist. Lassen Sie uns glauben und fühlen, dass alle diese Menschen hier sind. Und ein Telefonat heute nachmittag kann dieses natürlich noch unterstreichen! Jesus bildet eine neue Familie! Ein schöner Gedanke. 


Übrigens kehrt Jesus mit seinen Eltern dann zurück nach Nazareth und war ihnen, wie es heißt, „gehorsam“. Er wuchs einfach weiter auf, wie es schlicht heißt. Dennoch werden wir uns immer wieder an die Szene im Tempel erinnern. Maria wird unter dem Kreuz daran erinnert, als Jesus ihr Johannes als neuen Sohn anvertraut. Wir sind und werden Gottesfamilie. Das trägt uns in Zeiten, wo uns manch einer aus der Ursprungsfamilie schmerzlich fehlt. 


Jesus hat sich auf den Weg gemacht, in einer weiteren Familie zu sein. Er tut dies in Verbindung mit dem Passahfest, das die Befreiung feiert. So kann der kleine Ausflug Jesu, auch wenn er für die Eltern stressig war, doch eine neue Tür öffnen. Auch für uns, liebe Schwestern und Brüder in Christus. 

Amen.
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